Kugelbomben trotz Polizeipräsenz – Kitzschers nüchterne Bilanz zum Böllerverbot

Das Böllerverbot zu Silvester machte Kitzscher bundesweit bekannt, doch beeindruckte nicht jeden. Feiernde spielten Katz’ und Maus mit Polizisten. Der Bürgermeister will aber auch in Zukunft eisern bleiben.

Die Kleinstadt Kitzscher im Landkreis Leipzig hat es trotz nur 5000 Einwohnern kurz vor dem Jahreswechsel zu bundesweiter Bekanntheit gebracht. Nicht nur der Mitteldeutsche Rundfunk, sondern sogar die Tagesschau der ARD berichteten nach der Leipziger Volkszeitung über die Böllerverbotszone, die die Stadtverwaltung Kitzscher per Polizeiverordnung über den Marktplatz verhängt hatte.

Eine Maßnahme, die unter Städten vergleichbarer Größenordnung ihresgleichen sucht. Bürgermeister Maik Schramm (parteilos) sprach zur besten Fernsehnachrichtensendezeit vom Marktplatz als einer „Kampfzone“, auf der es ein Jahr zuvor in der Silvesternacht zum „Krieg“ gekommen sei.

Ein Verletzter kam ins Krankenhaus

Aber was hat das behördliche Böllerverbot gebracht? Blieb es in diesem Jahr wirklich friedlich auf dem Marktplatz in Kitzscher? Zumindest, so die fast einhellige Meinung in sozialen Netzwerken, von Anwohnern und auch des Bürgermeisters, sei es direkt auf dem Markt ruhiger zugegangen als ein Jahr zuvor. „Glücklicherweise ist nichts kaputtgegangen“, atmet Schramm auf, während Bauhofmitarbeiter den letzten Silvestermüll rund um den Weihnachtsbaum zusammenkehren.

Allerdings war auch ein ziemlich massives Polizeiaufgebot in Kitzscher vor Ort. Es sei zu einzelnen Straftaten gekommen, sagt Polizeisprecherin Sandra Freitag von der Polizeidirektion Leipzig. Ein Verletzter habe im Krankenhaus behandelt werden müssen.

Die Situation am Anfang des neuen Jahres deutet scheinbar auf einen friedlichen Jahreswechsel hin. Die Feuerwehr musste nicht ausrücken, der einzige sichtbare Schaden ist ein gesprengter Betonmülleimer vor der Kindertagesstätte „Kunterbunt“. Ein zugeklebtes Loch in der Scheibe eines Geschäftes am Markt soll noch von der Silvesternacht vor einem Jahr stammen.

Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung

Allerdings berichtet eine Einwohnerin auf Facebook von einer beschädigten Fensterscheibe an einem Haus, das nicht am Markt steht. Ein anderer User will beobachtet haben, wie jemand einem Polizisten einen Böller zwischen die Beine geworfen hat.

Die Polizei spricht von einem 22-jährigen tatverdächtigen Deutschen, der mehrere erlaubnispflichtige Knaller bei sich hatte, was allein schon ein Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz gewesen sei. Der habe außerdem mehrfach Pyrotechnik in Richtung von Polizisten geworfen. Deswegen laufen jetzt Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung.

Der Bürgermeister, der in der Nacht selbst auf dem Marktplatz stand, um das Verbot mit zu überwachen, hat beobachtet, wie Personengruppen sich mit der Polizei ein Katz-und-Maus-Spiel geliefert haben. Andererseits hätten Gruppen auch immer wieder gegenseitig Böller aufeinander abgefeuert. Das habe sich weniger auf dem Markt, mehr auf den angrenzenden Straßen zugetragen.

Polizei seit den späten Abendstunden in Kitzscher

So beobachtete das auch eine Anwohnerin. Böller seien außerhalb des Marktes gezündet und auf den Platz geworfen worden. Einige hätten auch direkt auf dem Markt Kugelbomben gezündet und versucht, Raketen gegen den Weihnachtsbaum abzufeuern.

Dass es auf dem eigentlichen Marktplatz gegenüber dem vorigen Jahr verhältnismäßig ruhig blieb, will Bürgermeister Schramm nicht in erste Linie auf das behördliche Feuerwerksverbot zurückführen. Er schreibt das stattdessen der Präsenz der Polizei zu. Die war zunächst in den späten Abendstunden mit einer Gruppe in Kitzscher, „um Straftaten, wie sie es im Jahreswechsel zuvor gegeben hatte, zu unterbinden“, sagt Freitag. Zudem hätten die Beamten das verfügte Pyrotechnikverbot durchgesetzt.

Was auch nach Angaben der Polizeisprecherin aber zunächst nicht sonderlich erfolgreich war. „Bis Mitternacht erhöhte sich die Anzahl der Personen derart, dass das Verbot durch die Polizeibeamten nicht mehr wirkungsvoll durchgesetzt werden konnte.“ Anwohnerin Nicole Rubginski nahm das so wahr: „Da standen zwei Mannschaftswagen, deren Besatzungen den Markt nur beobachteten.“

Bürgermeister fordert Zivilcourage

Erst als die Polizei weitere Kräfte nach Kitzscher schickte, griffen die offenbar auch ein. Mindestens vier weitere Mannschaftswagen rückten an, die Beamten blieben bis nach zwei Uhr. „Durch die Hinzuziehung weiterer Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei wurde die Situation vor Ort beruhigt, und nach mehreren Verstößen gegen das Pyrotechnikverbot konnte dessen Einhaltung im Weiteren wieder durchgesetzt werden“, sagt Sandra Freitag.

Für Bürgermeister Maik Schramm war in der Silvesternacht dennoch nicht alles gut. „So wie das gelaufen ist, das kann nicht zielführend sein. Uns nützt es nichts, wenn wir das Böllerverbot mit einer halben Hundertschaft Polizei durchsetzen müssen“, sagt er. Er setze auf einen Gewöhnungseffekt, es müsse sich durchsetzen, dass auf dem Markt nicht geböllert wird. Und der Bürgermeister erneuert seine Forderung nach mehr Zivilcourage.

Anwohnerin Rubginski und ihre Bekannte Sandra Münze glauben hingegen, dass das Verbot gerade erst Leute anzieht, die mit Knallerei – die für viele Menschen zu Silvester gehört – bewusst über die Stränge schlagen. „Wenn man etwas verbietet, wird es doch extra gemacht“, sagt Nicole Rubginski. Sandra Münze sieht das ähnlich und meint mit Blick auf die Böllernden auf und um den Marktplatz: „Die haben ihre Show gehabt.“